Zum 100. Geburtstag der Göttlichen veröffentlicht Warner eine Best of in Gedenken an Maria Callas. Die Aufnahmen sind noch heute überwältigend
von Sebastian Meißner
Wenn man jemand Unwissenden erklären müsste, warum Maria Callas ehrfürchtig „La Divina“ (also die Göttliche) genannt wurde, dann könnte man ihm zum Beispiel ihre Interpretation von Puccinis „O mio babbino caro“ aus dem Théâtre des Champs-Elysées in Paris aus den 60ern Vorspielen. Dutzende von Sopranistinnen, viele mit sogenannten Jahrhundertstimmen, haben dieses Lied aufgenommen, aber niemand hat es je mit so viel Gefühl und Intelligenz gesungen wie Callas. Ihre Phrasierung ist tadellos. Hier hört man eine Frau, die ihren Vater anfleht, die Wahl ihres unpopulären Freundes zu billigen oder andernfalls sich dem Tode hinzugeben, und nicht einfach eine Sopranistin, die eine beliebte Opernmelodie singt. Wenn Callas singt, spürt man die Dringlichkeit ihres Plädoyers wie bei keiner anderen Sopranistin vor oder nach ihr.
Maria Callas und die großen Komponisten
Man könnte aber auch unzählige weitere Beispiele aus ihrem eindrucksvollen Werk vorspielen. Immer würde ihr Ausnahmecharakter offenbar. Dazu gehören zum Beispiel Cherubs „Medea“, die Violetta in „La Traviata“ oder Bellini „Norma“, um einige zu nennen. „La Divina“ – einer von Warner anlässlich des 100. Geburtstags von Maria Callas am 02.12.2023 veröffentlichte Zusammenstellung ihrer großen Werke – gibt davon einen tollen Eindruck. Wir hören Studio- sowie Live-Aufnahmen aus den Jahren 1953 bis 1969. Und Interpretation von großen Komponisten wie unter anderem Bellini (Casta Diva“), Bizet („L’amour est un oiseau rebelle“) , Puccini („Un bel di vedremo“), Verdi („Pace, Pace mio Dio!“), Donizetti („Quandro rapito in Stasi“) und Ponchielli („Suicidio!“).
Ergreifende Aufnahmen
Die größte Sopranistin aller Zeiten fasziniert bis heute. Ihr dramatischer Gestus, ihre Authentizität und ihr voller Einsatz sind Merkmale, die ihren Gesang ausmachen. Ihr außergewöhnlicher Tonumfang, ihr Timbre und ihre Einfühlsamkeit gehören ebenfalls dazu. Und so sind diese Aufnahmen auf eine Weise ergreifend, dass es bisweilen weh tut. Callas singt nicht nur, sie durchlebt ihre Figuren und Worte. Und mit ihr ihre Millionen von Verehrer:innen.
„La Divina“ ist eine mitreißende Zusammenstellung für bekennende Verehrer:innen ebenso wie für Neueinsteiger. Damit es künftig weniger Unwissende gibt.
„La Divina“ von Maria Callas erscheint am 20.10.2023 bei Warner Music. (Beitragsbild: Pressefoto, Warner Music)